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Vom Motorenwerk zur Nachrichtenzentrale

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Hobbyhistoriker
Jens Paulsen
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Weltweite Ausstrahlung!

Stand: März 2019

Das idyllische Basdorf als ein Ort mit Weltbedeutung? Gerade mal 30 Jahre ist es her, dass hier entscheidende Drähte zusammenliefen!

„Die DDR hatte auf dem früheren Industriegelände eine Nachrichtenzentrale installiert. Darüber lief der Kontakt mit allen ihren Botschaften weltweit. Erich Mielke nutzte die Anlage mit seinem berüchtigten ‚Ministerium für Staatssicherheit’ für die interne Kommunikation der Stasi“, weiß Hobbyhistoriker Jens Paulsen zu berichten.

Geheimnisvolle Fundamente
Der 52-jährige Technikfan ist mit Ehefrau Marion Paulsen 1993 von Treptow nach Basdorf gezogen. Dort konnten sie sich den Lebenstraum von der eigenen Tankstelle verwirklichen. So hatten sie täglich das Gelände im Auge, wo früher Fremdarbeiter untergebracht waren. Darunter war ein Jahr lang der französische Chansonnier Georges Brassens, an den heute an vielen Stellen in Basdorf erinnert wird. Diese Nachbarschaft, aber vor allem Fundamentreste im Wald nach Zühlsdorf, stachelten die Neugier von Paulsen an. „Ich stöberte diesen Hinterlassenschaften nach. Schließlich begann ich systematisch diesen Teil der Ortsgeschichte aufzuarbeiten. Dabei wurde ich von den Chronisten der einzelnen Ortsteile unterstützt.“

Gigantischer Rüstungsbetrieb
So erkannte er, dass versteckt im Wald ein gigantischer Rüstungsbetrieb untergebracht war. Er firmierte als „Brandenburgische Motorenwerke“, kurz „Bramo“. 1939 ging das Unternehmen im BMW-Konzern auf. Die Fabrik war als „Werk 9“ Nebenstelle von BMW in Berlin-Spandau, wo heute Motorräder im Fokus stehen.
In Basdorf wurden Flugzeug-Sternmotoren gebaut, gewartet und instandgesetzt. „Der ‚Bramo 323’ mit 1 000 PS wurde vielfach für die ‚Focke-Wulf 200’ verwendet. Sie war als ‚Condor’ bekannt und fungierte als Langstrecken-Passagierflugzeug für 26 Personen. Im Krieg wurde sie zum Bomber und für die Fernaufklärung eingesetzt. Sie war mit vier ‚Bramo 323’-Motoren aus Basdorf ausgestattet.“

Technik aus England
„Diese Aggregate waren eine Weiterentwicklung des ‚Sh 22’, der von Siemens-Halske stammte. Dieser wiederum basierte auf einem hochmodernen britischen ‚Bristol Jupiter’-Motor, für den eine Lizenz erworben worden war. Damit hatte britische Ingenieurskunst mit geholfen, die deutsche Rüstungsindustrie zu entwickeln“, gibt der Basdorfer weiteren Einblick.
„Wegen der Beschränkungen nach dem ersten Weltkrieg hatte Deutschland hier keine eigene Technik“, erklärt Jens Paulsen den Hintergrund.
„Zudem wurde in Basdorf der ‚BMW 801’ gefertigt, gewartet und repariert. Dies war ein technisch neu entwickelter Antrieb mit bis zu 2 000 PS. Mit ihm wurden schnelle Jagdflugzeuge wie etwa die ‚Focke-Wulf 190‘ bestückt. Damals revolutionär war die Ein-Hebel-Bedienung mit einer Art Joystick, wie wir es heute kennen“, hat Hobby-Historiker Paulsen weiter recherchiert.
Trotz eines amerikanischen Bombenangriffs 1944 konnte die Flugmotorenproduktion im Basdorfer Wald weitergehen. „Es gab nur wenige Opfer. Darunter soll die Besatzung einer Werksfeuerwehr, die zu früh ausrückte, gewesen sein.“
Lange Zeit großes Rätselraten gab es um ein geheimnisumwittertes Areal am Ostrand: „Hier wurden streng abgeschirmt R-Geräte getestet. Das waren kleine Raketenantriebe mit nur 30 bis 50 Kilogramm Gewicht und einer Schubkraft von über 1 000 Kilopond. Die zweite Entwicklung waren die ersten TL 003 Düsentriebwerke von BMW“, lüftet Paulsen dieses Geheimnis ebenfalls.

Überraschender Besuch
Neuen Schwung in seine Forschung brachte ein zufälliger Besucher seiner Tankstelle: „Er stellte sich als Roger Beauvois aus Frankreich vor. Er war in Basdorf als Fremdarbeiter eingesetzt. Er konnte sich noch an alles erinnern, besichtigte das Kino, das damals entstanden war, den Bahnhof und wusste viel zu erzählen. So war die heutige Karl-Marx-Siedlung für Bramo-Beschäftigte entstanden. Dafür wurden Fertigteil-Holzhäuser aus Finnland importiert. Sie hieß ‚Milch-Siedlung‘, nach Erhard Milch, der für das Rüstungsprogramm verantwortlich war. Insgesamt waren hier 5 000 Mitarbeiter tätig, von denen sich etliche im Ort niederließen. 1944 waren Fremdarbeiter in der Mehrheit“, liest Jens Paulsen aus Dokumenten heraus, die er ausfindig gemacht hat.

Gut bezahlt?
Roger Beauvois hatte keine schlimmen Erinnerungen ans Lagerleben. Zum Beweis überließ er Paulsen einen Gehaltszettel, auf dem ihm 50 Reichsmark Monatslohn quittiert wurden. „Das war damals gut bezahlt, da Essen und Unterbringung ja frei waren“, resümiert Paulsen. „Ein Passierschein zeigt, dass die Arbeiter das Lager verlassen durften. Der eine oder andere Basdorfer könnte also ausländische Wurzeln haben“, schmunzelt Paulsen.

Staatsbesuche und Fußball
Nach der Demontage des Werks durch die Sowjets blieb Basdorf weiter am Weltgeschehen beteiligt.
„Die Lagerbaracken wurden erst für die Gemeindeverwaltung, für Schule und andere öffentliche Einrichtungen genutzt. Dann hieß es, leerräumen für die „Kasernierte Volkspolizei.“
Später war auf dem Gelände die Bereitschaftspolizei untergebracht. „Die Einheiten aus Basdorf wurden für Großereignisse wie Staatsbesuche sowie bei hochrangigen Sportveranstaltungen, insbesondere bei wichtigen Fußballspielen, eingesetzt“, weiß Paulsen.
Aus dem gesprengten Industriebetrieb wurde ein Materiallager des MfS und anschließend die Nachrichtenzentrale.

Nur persönlich
Wer in die Technik-Geschichte von Basdorf eintauchen möchte, kann damit sehr gut an der Tankstelle von Jens Paulsen anfangen. Hier stimmen ein Flugzeugmotor und eine Schautafel ein.
Näheres erfährt man dann „auf Bestellung“ durch eine spannende Präsentation, für die Jens Paulsen sich gerne engagieren lässt.
Nur schade, dass es die Erkenntnisse nicht zusätzlich als Buch zum Nachlesen gibt!

Erstellt: 2019