Besuchermagnet mit großer Anziehungskraft: Als Schwimmen plötzlich in Mode kam
Strandbad Wandlitzsee | |
Dr. Claudia Schmid-Rathjen | |
Telefon: | 03 33 97/2 20 95 |
E-Mail: | schmid-rathjen@t-online.de |
Website: | www.geschichtswerkstatt-wandlitz.de |
100 Jahre Strandbad
Stand: Mai 2023
Das Strandbad Wandlitzsee kann dieses Jahr den runden 100. Geburtstag feiern. Es hat sich seit der Eröffnung schnell zu einem Publikumsmagneten entwickelt.
1923 wurde es im Norden der Metropole Berlin Ausdruck
einer modernen Zeit: Schwimmen wird zur Freizeitbeschäftigung. Es ist ein neuer Modesport, der in der Weimarer
Republik Arm und Reich, Mann und Frau, Dörfler und Städter begeistert.
Baden als Fortschritt
Die preußische Regierung
gestattete ab 1902 die Einrichtung von gemischten „Familienbädern“. Aber es bedurfte des demokratischen Umbruchs in den 1920er Jahren, ehe Schwimmen zur beliebten Freizeitbeschäftigung für alle wurde. Zu Beginn der jungen deutschen Republik verfolgte der damalige Gemeindevorsteher Karl Jünemann zielstrebig seine Vision einer öffentlichen Badeanstalt in Wandlitz.
Gerade Freibäder galten in der Weimarer Republik als Ausdruck sozialen Fortschritts. Die „Volkshygiene“ forderte ihren Tribut, ein Bad galt als Beitrag zur Gesundheitspolitik.
Besuchermagnet
Auf aktives Betreiben Karl
Jünemanns entstand am östlichen Ende des sichelförmigen Wandlitzer Sees, unmittelbar gegenüber der Bahnstation Wandlitzsee, das gemeindeeigene Freibad. Er überzeugte vorher seine Gemeindevertreter. Sie stärkten ihm sogar dann den Rücken, als radikalere Maßnahmen, wie Landenteignung, angesagt waren, um den benötigten Platz für
eine großzügige Badeanstalt zu schaffen. Die Anbindung an die Eisenbahn, die heutige
Regionalbahn RB27, machte aus der Wandlitzer Badeanstalt gleich zu Beginn ein attraktives Ziel für Touristen. Viele kamen als Naherholungsgäste aus Berlin.
Einzigartiges Strandbadhaus
Das Strandbadhaus ist ein markantes Gebäude, das heute immer noch seinen Charme ausstrahlt. Es wurde 1923 erbaut. Darin befanden sich Ausschank, Wohnungen und Fremdenzimmer.
Die 200 Umkleidekabinen waren beidseitig angebracht. 100 auf der nördlichen Seite waren für Frauen reserviert, genauso viele auf der anderen Seite für Männer.
1926 wurde das Strandbad
um Badestege, Hallen- sowie Veranda-Bauten erweitert. Die jährlich 23 000 Gäste kamen mit dem Zug, mit Kraftomnibussen und bereits vielfach mit dem gerade neu aufkommenden, trendigen Automobil.
Kriegsfolgen
Das Strandbad vor den Toren der Hauptstadt wurde immer bekannter und beliebter.
Der Besucherboom ermöglichte weitere Investitionen. 1928 entstand ein Musikpavillon, 1932 ein Tanzsaal, 1933 eine Wasserrutsche und ein Kiosk. Der Besucherrekord war 1936 mit 36 000 Gästen.
Der Zweite Weltkrieg bremste den Siegeszug des Bads und hinterließ schließlich verheerende Spuren. Die sowjetischen Besatzer waren allerdings von dem legendären, gläsernen Tanzboden mit
Beleuchtung fasziniert. Sie
organisierten sogar die Reparatur beschädigter Glasplatten. Aber die Notzeiten hemmten den Badebetrieb erheblich. Es ging nur schleppend weiter.
Neue Aussichten
Umfangreiche Sanierungsarbeiten an den Bauten des Strandbades erfolgten erst 1977. Selbst nach der Wende gab es immer wieder Pächterwechsel. Erst 1998 konnte die Gemeinde dank EU-Fördermitteln ein Fünf-Millionen-Mark-Projekt zur grundlegenden Modernisierung des Strandbades umsetzen. Es erhielt damals sein heutiges
Gesicht. So gibt es nun einen modernen Sanitärtrakt, zeitgemäße Umkleidekabinen, die Steganlage mit dem typischen Sprungturm, einen Spielplatz mit Riesenrutsche und dem Matschbecken, eine Beachvolleyballanlage, Bootsverleih und viele weitere Attraktionen.
Für die Bewirtschaftung wurde das einstige Badehaus aus dem drei Hektar großen Gelände herausgelöst, seine Hülle unter Denkmalschutz gestellt und mit der Auflage, dort einen Gastronomiebetrieb zu errichten, privatisiert. Das Strandbad selbst blieb in
Gemeindehand. Das Konzept ging auf.
Das Strandbad ist heute ein Wandlitzer Vorzeigeprojekt. Es ist, wie vor 100 Jahren schon, überregional bekannt und beliebt.
2022 fanden es sicherlich die allermeisten der 59 500 Badegäste „echt schön hier“, ganz entsprechend dem neuen Motto der Gemeinde.